Geltung der allgemeinen Aufzeichnungspflichten auch für gewerbliche Prostitution

Pressetext:
Der 2. Senat hat entschieden, dass bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns aus Eigenprostitution durch Einnahme-Überschussrechnung nicht auf die Aufzeichnung der einzelnen Geschäftsvorfälle verzichtet werden kann.

Die Klägerin übte ihre Tätigkeit als Prostituierte in einem sog. Laufhaus aus. Nachdem die Steuerfahndung die Klägerin, die bis dahin keine Steuererklärungen abgeben hatte, dort angetroffen hatte, erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin Schätzungsbescheide zur Einkommen-, Umsatzsteuer und zum Gewerbemessbetrag. 

Die Klägerin erhob Einspruch und reichte nun Einnahme-Überschussrechnungen und Steuererklärungen mit deutlich geringeren Umsätzen und Gewinnen ein. Als das Finanzamt gleichwohl an seiner Schätzungsbefugnis festhielt und seine Schätzungen lediglich in geringem Umfang reduzierte, wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht.


Die Klage hatte keinen Erfolg. Die für Gewerbebetriebe geltenden Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten erstrecken sich nach der Entscheidung des 2. Senats auch auf die gewerbliche Prostitution. Das Argument, eine individuelle Quittierung der erbrachten Leistungen und deren Entlohnung sei wegen der branchenspezifischen Besonderheiten dieses speziellen Gewerbes nicht praktikabel, ließ der Senat nicht gelten. 

Die Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht, wie sie bei Bargeschäften im Einzelhandel anerkannt wird, sei nicht auf die gewerbliche Prostitution zu übertragen. Anders als im Einzelhandel sei bei der Prostitution der Kreis der Kunden begrenzt und individuell bestimmt. 

Ob im Rahmen der Aufzeichnungen auch die Identität der Kunden festgehalten werden müsse, konnte der Senat deswegen offen lassen, weil er schon die Mindestanforderungen an die Aufzeichnung der einzelnen Leistungen und Bareinnahmen durch die Klägerin als nicht erfüllt angesehen hat. 

Der Senat macht in seinem Urteil grundsätzliche Anmerkungen zur Schätzung und erkennt, dass die vom Finanzamt zugrunde gelegten Daten - Anzahl der Arbeitstage (20), der anzunehmenden Anzahl der Freier pro Tag (5), der Einnahmen pro Freier (130 Euro in den Streitjahren 2007 und 2008 bzw. 160 Euro in den Folgejahren) und der Betriebsausgaben im Rahmen einer Zimmermiete in einem Laufhaus (120 Euro bzw. 140 Euro pro Tag) - eher moderat und daher nicht zu beanstanden sind.


Das Urteil des 2. Senats vom 16.11.2016, 2 K 110/15, ist noch nicht rechtskräftig, denn es ist beim BFH ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt worden (Az. des BFH: X S 2/17).